Kurz und gut – Kurzhörspiele

Im Kurs Kurz und gut produzierte ich drei Hörspiele, basierend auf den Einreichungen anonymer Teilnehmer des Literaturkontests Westfalen 2012 – mit dem Thema Shortcuts.

Die Aufgabe bestand darin, die Arbeit der Schriftsteller frei zu interpretieren und in kurze, kunstvolle Dramen zu packen. Die Organisation des Kurses bezweckte, dass jedem Stück mehrere Studenten zugewiesen wurden, die jeweils ihre eigene Hörspiel-Version abstrahierten. Am Ende hatte jeder Text mindestens zwei (sehr verschiedene) Interpretationen. Schließlich wurden alle Hörspiele innerhalb eines Gala-Abends im Westfalischen Museum der Literatur präsentiert.

Die wichtigste Lektion während des Produktionsprozesses bestand für mich in der Arbeit mit Schauspielern. Mir wurde schnell klar, dass bei der Verwirklichung solcher Projekte die Bedeutung der Kommunikation nicht zu unterschätzen ist – ausschlaggebend ist vor allem, den gewünschten Ausdruck für das Schauspiel so klar wie möglich zu beschreiben und die Darstellung in die richtige Richtung zu führen.

Dies sind die drei Projekte, an denen ich arbeiten durfte – sowie meine Interpretationen. Unter den Audiodateien finden sich jeweils die Originaltexte.

Ausklinken

Originaltext: Ausklinken
Raum/Geräusche:

Cockpit/Kanzel eines kleinen Frachtflugzeuges. Beim Hörer sollte durch Regenprasseln, Tierlaute etc. der Eindruck entstehen, dass eine Regenwaldlandschaft überflogen wird.

Personen:

Pilot A, durchgehend nervös mit einem Anflug Verzweiflung in der Stimme
Pilot B, mit gleichbleibend gleichgültigem Tonfall

 

A: Hast du das gewusst?

B: Nee, natürlich nicht. Woher denn?

A: Was haben die dir denn gesagt?

B: Na, Saatgut, Zucker, Bohnen, wie immer. Was weiß ich?

A: Checkst du das denn nie vorher?

B: Ist doch nicht meine Sache.

A: Was war’s denn jetzt eigentlich?

B: Irgendein Plastikscheiss, Nitro, TNT, keine Ahnung.

A: Konntest du was erkennen?

B: Nee, hab ich auch keine Böcke drauf.

A: Ich darf nicht daran denken! Diese ahnungslosen Affen! Ich klink aus!

B: Ja, mach mal. Wir sind gleich überm nächsten Dorfplatz.

 

Das Robinson Dilemma

Originaltext: Das Robinson-Dilemma
(Flügelschlagen, Papageigekrächze)

Oh mein Schädel! Das war der Palmwein. Dazu der Affentanz von Freitag.
Kriegsbemalung. Heidnisches Urwaldgekreische. Speergefuchtel. Unbelehrbar.

(Papageigekrächze)

Diese Alpträume, Schiffsuntergänge, Stürme, Strandungen. Wie lange soll das noch
gehen? (Papageigekrächze)

Erst einmal den Baumkalender… Zweiter Weihnachtstag. Vollmond. Noch sechs
Nächte bis Neujahr.
Bloß den Kopf nicht bewegen. Wie ist das gestern eigentlich zu Ende gegangen?

(ruft) Freitag! Wo treibt dieser Kannibale sich rum?
Freitag! Frei… Was… Scheiße…

(Flügelschlagen, Papageigekrächze) (Feder kratzt über Papier)

Tagebucheintrag 26. Dezember. Freitag ist ermordet worden. Mit seinem eigenen
Speer. Von hinten. Habe alles abgesucht. Keine Spuren. (Kleine Pause.) Außer
meinen eigenen. (Kleine Pause)

Da ich allein auf der Insel bin, muss ich wohl Richter, Ankläger, Verteidiger,
Geschworener und Angeklagter in einem sein. Also, wie lautet die Anklage?

Der Ankläger: „Mord! Eindeutig!“ (Räuspern) „Bei einem Geständnis ließe sich
vielleicht noch über Totschlag reden.“

Verteidiger? „Ich bezweifle die gesetzlichen Grundlagen.“
Hohes Gericht? „Ein schwieriger Fall…“ (Papageigekrächze)

Halt’s Maul, Mistvieh!

Ankläger? „Du sollst nicht töten, sagt die Bibel.“

Verteidiger? „Der Tote war kein Christ!“

Hohes Gericht? „Aber der Angeklagte!“

(Flügelschlagen, Papageigekrächze)

Habe die Tiere freigelassen. Meine letzte Nacht.

Geschworener? Das Urteil? Schuldig! An die Rahe! Aufhängen!

(Flügelschlagen, Papageigekrächze) Hier bin ich gestrandet. Hier der Baum, mein
erster Schlafplatz. Das Schiffstau reicht für eine gute Schlinge. (Knoten,
strammziehen).

Die letzten Worte? Angeklagter?

Sorry, Mr. Defoe.

>Ende<

 

Ausgenommen

Originaltext: Ausgenommen
Sie hatte ihn ausgenommen. Seine glasigen Augen stierten sie weiterhin gleichgültig an. Und selbst wenn sie seine Schuppen entfernte, das ahnte sie schon, an dem Ausdruck seiner Augen änderte das nichts.